Die Gesellschaft strebt nach einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen und dem Planeten Erde. Diese Entwicklung macht auch vor dem Bereich des Arbeitsschutzes nicht Halt, sodass heute immer mehr Kundinnen und Kunden auf nachhaltigere persönliche Schutzausrüstung (PSA) zurückgreifen. Zahlreiche Unternehmen begegnen dieser Entwicklung mit verschiedenen Strategien, um ihre PSA nachhaltiger zu gestalten.
PSA und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden, erfordert erstmal einige Kopfarbeit von Unternehmen, denn die Definitionen von PSA und Nachhaltigkeit gehen stark auseinander: PSA dient per Definition zum Schutz der Tragenden vor gesundheitlichen Gefährdungen. Das Wort Nachhaltigkeit hingegen ist kein genormter Fachbegriff, sondern vereint viele Eigenschaften – beispielsweise die Emissionen, die bei der Produktion verursacht werden, die Kreislauffähigkeit eines Produktes, oder die soziale Verantwortung des Unternehmens. Wo also fängt man an, wenn man nachhaltige PSA kaufen oder produzieren will?
Ab auf den Kompost!
Natürlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten und Ansätze, Schutzkleidung nachhaltiger zu gestalten. So hat die Firma uvex eine Workwear-Kollektion entwickelt, die komplett kompostierbar ist. Dazu gehören neben dem Stoff auch die Färbemittel sowie die Garne und Knöpfe – nach 400 Tagen ist alles zersetzt. Das gelingt in einer industriellen Kompostieranlage gleichermaßen wie auf dem heimischen Kompost, verspricht das Unternehmen. Die Kollektion ist Cradle to Cradle gold-zertifiziert. Bei der Zertifizierung werden die Kriterien der Materialgesundheit, der Kreislauffähigkeit, sauberer Luft und Klimaschutz, ein verantwortungsvoller Umgang mit Boden und Wasser sowie die soziale Gerechtigkeit genau beleuchtet und anschließend bewertet.
Die Arbeitskleidung auf dem Kompost entsorgen – Uvex macht es möglich.
Zertifizierungen oder Transparenz sind wichtige Bausteine, um den Kundinnen und Kunden die Nachhaltigkeit eines Produkts verständlich darlegen zu können. Fristads hat diesen Gedanken fortgeführt und für seine Produkte eine Umweltproduktdeklaration eingeführt: eine Art Produktpass, der sämtliche Umwelteinflüsse misst, die bei der Produktion eines Kleidungsstücks anfallen. Konsumentinnen und Konsumenten können so nachvollziehen, wie sich ihr ökologischer Fußabdruck durch die Nutzung von nachhaltiger PSA verändert. Fristads selber will unter anderem seine Emissionen um 50 Prozent reduzieren. Wie der Produktpass entsteht und welche Schwierigkeiten Fristads derzeit überwindet, erfahren Sie im Interview.
Digitale Lösungen für mehr Nachhaltigkeit
Ansätze für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Nachhaltigkeit eines Produktes kann auch die Digitalisierung bieten. Die Europäische Kommission plant seit März 2022 die Einführung eines digitalen Produktpasses. Er könnte ein großer Schritt sein, um Hersteller zu mehr Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen zu verpflichten und soll alle Daten erfassen, die von der Produktion eines Produkts bis zu dessen Lebensende anfallen – ähnlich wie dem, den Fristads schon anwendet. Anlass für die Entwicklung des digitalen Produktpasses ist der Europäische Grüne Deal, mit dem die Europäische Kommission den Übergang zu einer ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen will. Im Zuge dessen sollen nachhaltige Produkte in Europa zum Standard, kreislauforientierte Geschäftsmodelle gefördert und die grüne Transformation vorangebracht werden.
Für Hersteller und Unternehmen bedeutet das insbesondere, neue Normen und Standards zu entwickeln und umzusetzen. Dazu zählt unter anderem der Vorschlag für eine Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. Dadurch sollen Produkte wiederverwertet, repariert, leichter gewartet sowie aufgearbeitet und recycelt werden.
Digitalisierung und digitale Produktpässe machen die Nachhaltigkeit eines Produkts auf den ersten Blick ersichtlich.
Ein weiterer Ansatz ist die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien: Dadurch sollen Textilien bis 2030 haltbarer werden, und auch die Wiederverwendbarkeit verbessert sich. Zu den spezifischen Maßnahmen gehören verständlichere Informationen, der digitale Produktpass sowie verbindliche EU-Regelungen für eine erweiterte Herstellerverantwortung. Die Strategie setzt ein Zeichen gegen Fast Fashion – also die schnelle Produktion von Kleidung in großer Menge, die dann nach kurzem Tragen schon wieder weggeworfen wird. Solche Strategien haben nur meist ein Manko: Sie zielen besonders auf konventionelle Kleidung ab und lassen häufig außer Acht, dass für PSA andere Ansprüche gelten.
EU muss in Austausch mit Herstellern treten
Daher braucht es für die Entwicklung entsprechender Richtlinien einen engen Austausch mit der Industrie und den herstellenden Unternehmen. Sie wissen am besten, welche Ziele umsetzbar sind und welche Ansprüche an PSA schlichtweg utopisch sind. Zu diesem Zweck wurde unter anderem bei der European Safety Federation (ESF) eine Working Group zum Thema Nachhaltigkeit gegründet. Sie vereint Hersteller aus verschiedenen PSA-Bereichen, die der Europäischen Kommission dann ein Feedback zur Umsetzbarkeit der Pläne, die unter dem Schirm des Europäischen Grünen Deals entstehen, geben.
Bei ihrer Arbeit stellt sich heraus: Die wohl größte Herausforderung für nachhaltige PSA ist die PSA selber. Denn sie unterteilt sich in so viele verschiedene Bereiche, dass Nachhaltigkeit nicht ohne Weiteres in jedem Bereich gleichermaßen umsetzbar ist. Richtlinien, die für Gehörschutze gelten, sind noch längst nicht auf Atemschutzmasken oder Asbest-ausgesetzte Kleidung anwendbar. Das macht die Entwicklung von nachhaltiger PSA nicht unbedingt leichter.
Ob PSA nachhaltiger werden kann, liegt also nicht ausschließlich in den Händen der Hersteller. Äußere Einflüsse wie den Energieverbrauch, den Herstellungsprozess und die Lieferketten können Unternehmen im Sinne der Umwelt sicherlich aus eigener Kraft heraus optimieren. Die Materialwahl allerdings ist stark vom späteren Anwendungsfeld der PSA abhängig. Dennoch geben sich viele Unternehmen viel Mühe, die naturgegebenen Grenzen zu sprengen und PSA durch innovative Verfahren und Materialen nachhaltiger zu gestalten.