Auch niedrige Geräuschpegel können für das Gehör gefährlich werden und zu Hörverlust oder anderen Symptomen führen. Stöpsel und Co. leisten davor Abhilfe. Heute kann man über Apps den Lärmpegel messen und sich den adäquaten Gehörschutz empfehlen lassen. Welche Neuheiten der Markt für persönliche Schutzausrüstung aktuell im Bereich Gehörschutz zu bieten hat, zeigt die A+A 2017 als führende Fachmesse mit Kongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vom 17. bis 20. Oktober 2017 in Düsseldorf.
Die gute Nachricht zuerst: „Das Bewusstsein für Gehörschädigung durch Lärm am Arbeitsplatz ist deutlich gestiegen“, sagt Manfred Schuster, zuständig für Ohrschutz bei Uvex, einem der rund 1.900 Aussteller der A+A 2017. Die Sicherheitsingenieure in den Firmen sind im engen Kontakt mit Herstellern, um mögliche Gefahren zu entschärfen. Das bestätigt auch Joao Rosario, Application Engineer Personal Safety Division beim Multi-Technologiekonzern 3M, der sich ebenfalls vom 17. bis 20. Oktober auf der Weltleitmesse für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit präsentieren wird. Das ist wichtig, denn: “Auch wenn die Medizin in den letzten Jahren bei der Behandlung von Hörschädigungen erstaunliche Fortschritte gemacht hat, lassen sich nicht alle Hörprobleme beseitigen“, fügt Rosario hinzu. Entsprechend wichtig bleibt der präventive Schutz des Gehörs durch Persönliche Schutzausrüstung (PSA). Welche neusten Technologien und wirksamen Produkte es aktuell gibt, zeigen führende Anbieter auf der A+A 2017 und ihrem Kongress, wo PSA traditionell zentrales Schwerpunktthema ist.
Für Gehörschutz wie bei der Bekleidung gilt, dass der Schutz der Mitarbeiter auch wegen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels an Bedeutung gewinnt. Es gilt jeden Mitarbeiter zu schützen und möglichst lange an das Unternehmen zu binden. Außerdem ist es so, dass gerade junge Beschäftigte die Gefahren, die von Lärm ausgehen, unterschätzen. „Dadurch sind sie besonders gefährdet“, sagt Rosario. Denn meist wird nur auf akuten Hörverlust durch übermäßigen Lärm schnell reagiert. Langzeitschäden registriert man häufig erst nach 10 bis 20 Jahren.
Doch nicht nur das Gehör ist betroffen. Lärm kann Stress für den gesamten menschlichen Organismus bedeuten. Lärm wirkt sich unterbewusst auf den gesamten Körper aus. Das kann zu Konzentrationsstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen, erhöhtem Blut-hochdruck bis hin zu einem erhöhtem Herzinfarktrisiko führen. Da die Wahrnehmung für Lärm als Gefahr generell besser geworden ist und die Mitarbeiter sich selbst schützen wollen sind sie dem Arbeitgeber dankbar dafür, wenn mit dem Thema proaktiv und professionell umgegangen wird. Die neue PSA-Verordnung hat die Tatsache, dass Lärmschwerhörigkeit die Berufskrankheit mit den meisten Anerkennungen ist, nochmals verdeutlicht.
Lärm birgt schwerwiegende Risiken
Die Lieferantenseite in der Branche bewegt zurzeit vor allem ein Thema: Seit April 2016 ist schädlicher Lärm in der neuen Europäischen PSA-Verordnung 2016/425 in die Kategorie 3 „schwerwiegende Risiken wie Tod oder irreversible Gesundheitsschäden“ eingestuft worden. Das bedeutet, dass die Hersteller ihre Gehörschutzprodukte jährlich neu prüfen lassen müssen. Früher reichte eine erneute Prüfung fünf Jahre nach der Erteilung der EU-Baumusterprüfbescheinigung. Das neue Prozedere soll dem Träger mehr Sicherheit gewähren. „Für uns ändert sich dadurch nicht viel“, so Manfred Schuster von Uvex. „Wir beziehen unsere Kunststoffe von A-Lieferanten, die wir als strategische Partner sehen. Diese Lieferanten lassen sich auch immer wieder von externen Instituten prüfen.“ Wie bei den meisten deutschen Herstellern für persönliche Schutzausrüstung ist auch bei Uvex die Übererfüllung der Normen Standard. Dementsprechend werden die Wareneingänge regelmäßig stichprobenartig kontrolliert.
Nachteil der neuen Verordnung: Die gestiegenen Kosten auf Beschaffungsseite in einem – trotz größerem Schutzbewusstsein – preissensiblen Markt. Ebenfalls Teil der neuen Verordnung ist das Format der Bedienungsanleitung. So muss mittlerweile wie bei einem Beipackzettel bei Medikamenten auf einer genau festgelegten Papiergröße eine umfassende Anleitung in bestimmter Schriftgröße in 27 Sprachen geliefert werden – und das für jede kleinste Verpackung. So soll sichergestellt werden, dass der Gehörschutz auch richtig angewendet und gepflegt wird.
Unterschiedliche Lärmumgebung
Was das Arbeitsumfeld angeht, so gelten in der Praxis die verschiedenen Lärmpegel als eine der großen Herausforderungen. „Aufgrund der sich verändernden Arbeitsbedingungen wird ein Gehörschutz, der in unterschiedlichen Lärmumgebungen eingesetzt werden kann, immer wichtiger“, erklärt Joao Rosario von 3M. Der Technologiekonzern hat Gehörstöpsel entwickelt, bei dem der Benutzer über einen Kippschalter zwischen einem niedrigen und einem hohen Schutz wählen kann. Gleichzeitig ist er bei beiden Stufen vor Impulslärm, also plötzlich auftretenden kurzen Lärmspitzen, geschützt.
Zwar wird kontinuierlich an leiseren Maschinen gearbeitet, doch es gibt immer noch sehr laute Industriezweige wie beispielsweise Abbrucharbeiten, Metall- oder Holzbearbeitung. Aber auch der „schöne Lärm“ von Musikorchestern kann die Gesundheit deutlich beeinträchtigen. Die preiswerteste Art, sich zu schützen, ist einfacher Gehörschutz aus Schaumstoff, u.a. angeboten von Firmen wie den A+A-Ausstellern Honeywell, Uvex oder 3M. Diese PSA-Form schützt zwar vor der schädigenden Energie der Lautstärke durch den Luftdruck am Ohr, allerdings werden die Töne verzerrt wahrgenommen.
Eine Alternative zu den fertig geformten Gehörschutzstöpseln sind individuell angepasste Otoplastiken, wie sie u.a. Elacin Hearing Protection aus den Niederlanden auf der A+A präsentieren wird. Bei dieser Form des Gehörschutzes steht Sprachverständlichkeit bei gleichzeitig hohem Tragekomfort im Vordergrund. Otoplastiken werden über 3D-Druckverfahren millimetergenau hergestellt, müssen aber trotzdem sowohl bei Auslieferung als auch danach in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um einerseits die Schutzfunktion zu gewährleisten und andererseits Druckerscheinungen bei häufigen Kopfdrehungen vorzubeugen.
Smarter Hörschutz
Gehörschutzprodukte, die zum Beispiel eine Verbindung mit dem Smartphone zum Musikhören oder zum Telefonieren ermöglichen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Für bestimmte Berufsgruppen wie Monteure von Windkraftanlagen oder auch Waldarbeiter ist es wichtig, dass sie untereinander kommunizieren können. Auch das kann über aktiven Hörschutz gewährleistet werden.
Zunehmend Thema sind auch Stöpsel oder Kapselgehörschutz, wie Hörgeräte mit Miniaturbatterien betrieben, die zum Beispiel eine pegelabhängige Dämmung leisten oder für das Militär sehr leise Töne verstärken. Ein solches intelligentes Gehörschutz- und Kommunikationssystem bietet zum Beispiel Honeywell an, ein führender Anbieter für Sicherheitsausstattungen und PSA. Honeywell präsentiert auf der A+A 2017 seine PSA-Produktpalette von Augen- und Gehörschutz über Handschuhe und Atemschutz sowie Produkte zur Gasüberwachung und Absturzsicherung. Insgesamt zeigen mehr als 120 Anbieter von Gehörschutz die neusten Trends und Innovationen auf der Weltleitmesse für Persönlichen Schutz, betriebliche Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Düsseldorf.
Je aufwändiger und teurer der Gehörschutz ist, desto mehr Zubehör ist gefragt. „Hygiene-Sets spielen zum Beispiel eine große Rolle – und das sowohl bei passiven wie bei aktiven Gehörschutzkapseln“, holt Joao Rosario aus und ergänzt: „Bei aktiven Gehörschützern hinzu kommt Zubehör wie Windschutz für Mikrofone, Akkus und Ladegeräte.“ Alle Accessoires sind qualitativ hochwertig und bieten immer intelligentere Lösungen. „Für elektronischen Gehörschutz gibt es Verpackungen, über die der Akku geladen werden kann“, ergänzt Manfred Schuster.
Neben der Funktionalität ist Fortbildung ein wichtiger Faktor beim Gehörschutz. So lässt sich der richtige Gehörschutz herausfinden und der entsprechende Umgang damit erlernen. Uvex bietet vor Ort in den Kantinen von Kundenunternehmen an kleinen Ständen Informationen zum Thema, das vielleicht nicht jedem Mitarbeiter in seiner Brisanz so präsent ist. Neben Beratungen und Schulungen im eigenen Unternehmen können sich Sicherheitsingenieure auch in der Uvex Academy oder bei 3M über entsprechende Sachkundelehrgänge fortbilden lassen.
Lärmmessung per App
Die beiden A+A-Aussteller 3M und Uvex bieten jeweils eine Dezibel-App. Via Smartphone lässt sich mit dieser App feststellen, ob ein Gehörschutz getragen werden sollte. Die Wahl des richtigen Lärmschutzes kann über eine Farbskala abgelesen werden. Bei Grün ist kein Schutz nötig, bei Gelb ist er obligatorisch und bei Rot muss der Schutz speziell an hoch- und mittelfrequenten Lärm angepasst werden. Schließlich werden entsprechende Produkte empfohlen. Eine unkomplizierte Art, die Sensibilität für Lärm zu schärfen bzw. sein Gefahrenpotential richtig einzuordnen.
Aktuelle Informationen zur A+A 2017 und ihren Ausstellern, beispielsweise zu den Anbietern von Gehörschutz, sind online abrufbar unter: www.aplusa.de.
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INFO-KÄSTEN:
Ab wann und warum Lärm zu Hörschäden führt
Geräusche mit einem Schallpegel von über 85 Dezibel können bereits Gehörschäden verursachen, denn Lärm addiert sich. Auch ein niedriger Geräuschpegel kann in der Summe gefährlich werden. Die Schmerzgrenze beginnt etwa bei 120 Dezibel. Ist der Lärmpegel besonders hoch, können Gehörschäden schon nach kurzer Zeit eintreten. Lärmschwerhörigkeit entsteht, weil sich die Haarzellen im Hörorgan aufgrund von Sauerstoffmangel durch wiederholte zu hohe Lärmschallwellen praktisch auflösen. Sie reagieren nämlich auf Druckschwankungen der Membranen und leitet sie als elektrischen Impuls ans Gehirn weitergeleitet. Einmal zerstörte Haarzellen können nicht ersetzt oder neu gebildet werden.
Formen und Möglichkeiten des Gehörschutzes
- Ohrstöpsel aus Schaumstoff oder Kunststoff, in der Regel für den einmaligen Gebrauch. Es gibt aber auch abwaschbare Modelle. Das ist die preiswerteste Lösung.
- Otoplastiken bieten bei langem Tragen einen höheren Tragekomfort, weil sie persönlich angepasst sind.
- Bügelgehörschützer (als In-Ear- oder On-Ear-Version) sind dann angemessen, wenn der Gehörschutz häufig abgelegt werden kann oder muss. Wie einen Kopfhörer kann man die Bügelgehörschützer um den Hals hängen, wenn man sie gerade nicht benötigt.
- Kapselgehörschützer eigen sich für kurzfristige Arbeiten in Lärmbereichen. Sie lassen sich bei extremem Lärm noch mit Ohrstöpseln kombinieren. Je leichter sie sind, desto angenehmer lassen sie sich tragen.
Autorenhinweis:
- Kirsten Rein, freie Fachjournalistin (Frankfurt a. M.)